Sie sehen sich jeden Tag und berühren sich dabei fast immer. Jürgen ist nie allein und Erika freut sich über Gesellschaft. Für sie ist es eine Verjüngungskur.
Begegnet bin ich beiden in der Nähe von Wilsede, einem kleinen Ort mit 46 Einwohner mitten in der Lüneburger Heide.
Ich hatte beruflich in Hamburg zu tun und meine Labradordame begleitete mich an dem Tag in die Großstadt. Da wir an dem Tag noch nicht so viele Eindrücke zu Fuß gesammelt hatten, wollte ich auf dem Rückweg in Undeloh, wenige Kilometer von Buchholz in der Nordheide, einen Zwischenstopp einlegen.
Ich parke gern auf dem Parkplatz am Ende der Wilseder Straße. Schon kurz nach dem Ortsschild begrüßte mich der Heidetourismus. Die Straßen waren überfüllt von Menschen und die Kutschen kamen gerade wieder zurück aus der Heidelandschaft. Es war schon nach 16 Uhr und ich parkte am Ende des großen Parkplatzes. Der Fotorucksack bereits schon um Morgen gepackt, erschrak ich wieder bei dem Gesamtgewicht. Mir fiel auf, dass ich meine Stirnlampe vergessen hatte. Noch eine Flasche Wasser in die Seitentasche am Rucksack gesteckt und die Moxonleine aus dem Kofferraum meiner Hündin Malou um den Hals gelegt.
Mir war nach Ruhe und Natur. Nun ja, die Natur lag mir zu Füßen, nur die Ruhe stellte sich noch nicht ein. Pferdehufe klapperten auf dem Kopfsteinpflaster. Menschen, die sich laut unterhielten und Spaß auf der Kutsche hatten. Heidetourismus einer besonderen Art. Ich ging einen kleinen Pfad durch den Wald, abseits von den Touristenrouten und Kutschstrassen. Nach wenigen hundert Metern bog ich auf einen anderen kleinen Pfad ab. Vorerst in südwestlicher Richtung. Hier ging ich durch Buchenwälder bis ich auf eine erste Bank traf. Die Beine fühlten sich irgendwie schwer an. Malou hingegen hatte ihren Spaß auf dem nassen Moos und schob sich mit der Schnauze voran über die grünen, weichen Flächen. Als ich so auf der Bank saß und weder einen Vogel noch andere Tier sah, ärgerte ich mich, dass ich zwei Teleobjektive im Rucksack hatte und mir das Gesamtgewicht ungewohnt schwer vorkam. Ich hatte schon oft ein Teleobjektiv dabei ohne es zu benutzen, weil sich passende Gelegenheiten einfach nicht boten. Hoffentlich ist es heute nicht so, dachte ich. Als Ziel hatte ich den Totengrund, allerdings wollte ich ihn abseits der Touristenrouten erreichen.
Vorbei an einem übergroßen Fliegenpilz und Wollgras gingen wir weiter Richtung Wilsede. Etwas Abwechslung kam uns auf drei Pferden entgegen. Ein Mann Filme seine zwei Begleiterinnen während des Galopps mit dem Handy.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Im Osten sah ich noch einen einsamen Radfahrer auf dem Weg nach Undeloh. Jetzt war ich froh, dass ich ein Tele an der Kamera hatten und konnte sowohl die Reiter als auch den Radfahrer festhalten.
Irgendwann ließ es sich nicht vermeiden, kurz vor Wilsede, die Touristenautobahn zu kreuzen. Weit entfernt sah ich einen Schäfer mit seiner Herde. Malou lief neben mir. Auch sie hatte die beiden Begleithunde des Schäfers bemerkt und beobachtet mit mir die Herde.
Irgendwann kreuzten sich unsere Wege und Jürgen, der Schäfer, hielt direkt auf uns zu. Es war ein Motiv, wie ich es schon oft vor dem inneren Auge hatte, doch bitte ohne Touristen, die mitten durchs Bild gingen und einfach stehen blieben. Was hätte ich darum gegeben allein mit ihm und seiner Herde zu sein. Der Sand war trocken und staubte leicht. Die Herde bestand aus Heidschnucken und Ziegen. Ich konnte wenigstens ein paar Aufnahmen vom Schäfer mit seinen beiden Hunden, im Hintergrund die Herde, einfangen. Ich war dankbar für diese tollen Motive und glücklich, dass ich mein Teleobjektiv optimal nutzen konnte. Ich saß mit Malou immer noch mitten auf dem Weg.
Die Herde kam immer näher, bis sie uns förmlich umzingelte. Es ist schon ein komisches Gefühl mitten in einer so großen Herde zu sitzen.
Die Tiere kamen uns so nah, dass sie Malou berührten und uns fast bedrängten. Wir stiegen auf einen dicken Eichenstamm, der gefällt am Wegesrand lag. Die Tiere blieben um uns herum stehen und schauten zu uns hoch. Aus dieser Position konnte ich noch ein paar Fotos machen. Der Schäfer zog weiter und die Tiere folgten ihm.
Es war ein toller Augenblick. Ich hatte so viel Glück an diesem Nachmittag: einen schönen einsamen Weg entlang nach Wilsede gefunden zu haben und dann noch die Begegnung mit Jürgen und seinen Tieren.
Ich schlenderte mit Malou weiter durch Wilsede.
Es waren schon fast keine Touristen mehr in dem kleinen Heidedorf unterwegs. Inzwischen war es ja auch schon 18 Uhr und die Sonne war von Wolken verdeckt. Trotzdem beschloss ich an diesem warmer Spätsommerabend weiter zum Totengrund zu gehen, auch wenn das Licht für ein paar Stimmungsbilder der Heidelandschaft nicht mehr ausreichen würde. Es zog mich noch zu dem 1,5 km entfernten Aussichtplatz, den ich schon oft zu Fuß besucht hatte. Es ist der schöne schmale Weg durch die Eichen hindurch bis man oben auf dem Aussichtplatz ins Tal schauen kann, der mich besonders anzog. Die Kamera mit dem Tele wurde immer schwerer in der Hand. Ich wechselte immer öfter die Hände und trug sie mal in der linken und mal in der rechten Hand.
Als wir auf dem Plateau ankamen, waren wir fast allein. Nur das junge Liebespaar, was ich vorher Hand-in-Hand unter den Eichen gehend, fotografiert habe und ein Ehepaar mit dem Fahrrad waren da. Das Ehepaar hatte sich für den Abend eine Flasche Rotwein und etwas Käse mitgebracht und so genossen sie den Ausblick.
Die Ruhe und Luft war einfach wunderbar. Abseits von der Hektik und dem Verkehr tagsüber in Hamburg, saß ich nun auf einer Bank in der Natur. Ich war glücklich, diese Wanderung mit Hund und Kamera an diesem Abend noch unternommen zu haben.
Inzwischen war es schon nach 19 Uhr und wir hatten noch gut 6 km Rückweg vor uns. Kurz nach unserem Aufbruch überholte mich das Ehepaar, die den Augenblick und den Ausblick mit einem Glas Rotwein genossen hatten, auf dem Fahrrad.
Jetzt ging ich auf dem direkten Weg, auf der mittlerweile leeren Touristenautobahn, zurück zum Parkplatz nach Undeloh. Etwas mehr als vier Stunden hatte der Ausflug gedauert und beide waren wir wieder froh am Auto angekommen zu sein. Für Malou gab es noch eine Portion Futter und ich hatte noch etwas zu trinken im Kofferraum.
Man konnte heute Erika schon das Alter etwas ansehen. Sie war nicht mehr so frisch wie vor zwei Wochen auf dem Heideblütenfest und dennoch strahlte sie eine Ruhe aus, die viele in ihren Bann zieht, mich einbezogen!